Welcher Vertriebskanal funktioniert wirklich? Mein Fazit nach 7 Jahren Händlerdasein!
In der Welt des Einzelhandels gibt es unzählige Wege, um Produkte an Kunden zu bringen. Als Händler hat man die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Vertriebskanälen, von physischen Geschäften bis hin zu virtuellen Marktplätzen. Doch welcher dieser Kanäle ist wirklich effektiv und lohnt sich nachhaltig? Diese Frage hat mich während meiner 7-jährigen Reise als Händlerin immer wieder beschäftigt. Sollte ich auf einen eigenen Store setzen, auf Märkte gehen, einen eigenen Onlineshop betreiben oder mich auf etablierte Plattformen verlassen?
In diesem Artikel werde ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse teilen, die ich im Laufe der Jahre gesammelt habe. Wir werden die Vor- und Nachteile jedes Vertriebskanals beleuchten und am Ende hoffentlich zu einem klaren Fazit kommen. Denn eines steht fest: Der richtige Vertriebskanal kann den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg im Einzelhandel ausmachen!
Vorweg möchte ich betonen, dass der folgende Abschnitt meine individuelle Meinung widerspiegelt und die aufgeführten Tipps mit meinen spezifischen Produkten und Präferenzen zusammenhängen. Meine Ratschläge und Erfahrungen stammen aus meiner persönlichen Perspektive und treffen daher möglicherweise nicht auf jede Situation zu: Jeder Händler hat einzigartige Herausforderungen und Ziele, und die Wahl des richtigen Vertriebskanals kann stark von diesen Faktoren abhängen. Daher kann es sein, dass andere Händler andere Erfahrungen gemacht haben und anders denken. Dennoch hoffe ich, dass meine Erkenntnisse und Einsichten nützlich sind.
Märkte & Messen - Immer eine gute Idee!
Von Tag 1 an habe ich regelmäßig auf Märkten und Messen verkauft. Zu Beginn waren es hauptsächlich Flohmärkte und kleine Designmärkte mit einer jungen Zielgruppe mit der Vorliebe für individuelle Produkte. Später habe ich sogar auf internationalen Messen (Maison & Objet Paris) ausgestellt und an renommierten Marktreihen (Landpartie) teilgenommen. Auch wenn der Umsatz nicht immer meinen Vorstellungen entsprochen hat, kann man ungemein vom Feedback der Kunden und dem Austausch mit anderen Ausstellern profitieren!!!
Fazit:
Flohmärkte: Lohnen sich zum Verkauf günstigerer Waren bzw. regelmäßig auch zum Abverkauf von Ladenhütern bzw. Ausschussobjekten. Die Standkosten sind gering, sodass man mit relativ wenig Aufwand, viel umsetzen kann!
Designmärkte / -messen: Sind die richtige Wahl, wenn es darum geht, ein Konzept zu erproben und Kundenbeziehungen aufzubauen! Solche Events kosten meist recht hohen Eintritt und stellen sicher, dass die Kunden dort viel Zeit verbringen und sich in Ruhe mit dem Angebot beschäftigen. Im Vordergrund steht Design & Ästhetik - heißt, man sollte den Aufbau seines Setups gut planen und die Produkte gut präsentieren! Wenn man das erfolgreich meistert, kann man ein ganz neues Preisniveau erreichen und hohe Umsätze erzielen. Beachte: Wo hohe Umsätze erreicht werden, sind meist auch die Kosten proportional höher! Hier unbedingt im Vorhinein eine Kostenübersicht erstellen. Eventuell lohnt es sich im Rahmen des Konzeptes auch skalierbare Neuware beizumischen - wie z.B. schöne Kerzen, Pflanzen, Potpourri, etc.
Mein Tipp: Es hilft ungemein, im Vorhinein die Eventreihe oder den Markt schon einmal als Kunde / Beobachter besucht zu haben. So kann man die Zielgruppe besser einschätzen und abwägen, ob sich der (Kosten-)Aufwand lohnt und die Ware ins Konzept passt.
Das klassische Ladenlokal / der Store - Kann schnell zur Bürde werden!
2020 im Sommer nach der ersten Corona-Welle hat sich mir die Gelegenheit in Aachen geboten, einen eigenen Store zu eröffnen. In der Euphorie der Sommermonate (Jeder dachte, Corona sei überwunden) habe ich mich ohne längere Überlegung dafür entschieden, den Versuch zu wagen. Ein eigener Laden - ein Traum! Im Nachhinein eine wertvolle Erfahrung, aber aus diversen Gründen (auch ohne den langen Lockdown im folgendes Winter und die Wirtschaftskrise allgemein) nicht die richtige Lösung für MICH. Ich sag euch warum:
- Extreme Inflexibilität: Öffnungszeiten müssen eingehalten werden, Abwesenheiten sind kaum möglich und längere Urlaube bedeuten Umsatzeinbußen oder die Notwendigkeit einer Vertretung. Ich habe die größte Bürde in dieser Verpflichtung gesehen, immer im Laden sein zu müssen. Bin ich mal 5 min zu spät gekommen, durfte man sich nicht selten wütende Kunden vor dem Geschäft anhören. Hatte ich einmal "Betriebsferien", gab es direkt eine negative Google-Rezension mit dem Vorwurf, der Laden hätte nie auf. Zeitlich nicht flexibel zu sein, hat mich häufig gestresst und mich nicht selten belastet.
- Angreifbarkeit: Sitzt man im Geschäft, ist man dem Publikum quasi ausgeliefert. Neben netten Kunden, sind natürlich regelmäßig auch Menschen ins Geschäft gekommen, die ihre schlechte Laune an mir auslassen wollten, mir ihre Lebensgeschichte erzählt haben oder auch gerne mal aufdringlich oder bösartig geworden sind, wenn ich ihnen ihren Kellerfund nicht abkaufen wollte. Da ich fast immer alleine im Geschäft war, habe ich mich nach einigen Monaten echt unsicher und angreifbar gefühlt. Zum Schluss wollte ich nicht mehr alleine zum Laden.
- Langeweile: Mein Ladenlokal war zwar stadtnah aber nicht in der Fußgängerzone. Es war am Anfang eines Wohngebiets gelegen, d.h. Laufkundschaft war eher selten. Man musste den Laden schon vorher gegoogelt haben oder davon gehört haben. Dafür hatte ich Parkplätze und viel Platz zu bieten! Am Wochenende war regelrecht die Hölle los. Da ich aber auch unter der Woche Mi - Fr geöffnet hatte, war neben Ankaufterminen zum Teil echt wenig los. Nicht selten habe ich an Regentagen alleine im Geschäft gesessen und das ganze Geschäftsmodell in Frage gestellt. Darauf sollte man sich bei der momentanen Einzelhandelssituation einstellen!
- Hohe Kosten und Aufwand: Zu guter Letzt ist der Kostenfaktor (neben der Miete!) natürlich nicht ganz unwichtig! Ladenlokale sind teuer und müssen quasi wie ein zweiter Wohnsitz gehandhabt werden: Regelmäßiges Putzen der Innenräume sowie Schaufenster, Sauberkeit der Kundentoilette, Internet- & Telefonanschluss sowie Alarmanlage / Sicherheit muss gewährleistet sein. Im Winter muss geheizt werden. Und mir war wichtig, dass mein Geschäft nicht nach kürzester Zeit wie ein Trödelladen riecht. Wirtschaftlich ein großer Kostenfaktor, den man jeden Monat erst einmal wieder durch Umsatz verdienen muss.
Mein Tipp: Nicht durch meine persönliche Erfahrung entmutigen lassen! Natürlich gibt es auch viele Vorteile, die ich jetzt absolut vermisse. Darunter fällt definitiv die Ankaufmöglichkeit! Mit eigenem Geschäft wird einem regelmäßig Ware angeboten oder sogar geschenkt. Das war echt klasse. Zudem vermisse ich meine liebsten Stammkunden. Obwohl bei Ladenschließung allesamt versprochen haben, in den Onlineshop zu sehen und dort weiter einzukaufen, ist es nach kürzester Zeit ausgeblieben. Vor-Ort-Kunden sind eben nicht gleich Online-Kunden.
Ein eigener Onlineshop - Kreative Freiheit
Wir schreiben das Jahr 2023 - spätestens seit Corona hat fast JEDER einen Onlineshop oder handelt zumindest im Internet über diverse Plattformen mit seiner Ware. Ist es ein MUSS und die große Frage: Lohnt es sich wirklich? Ich versuche mich dem Thema mal vorsichtig zu nähern! Zunächst: Ich habe von Beginn an - noch bevor ich auf dem ersten Markt war oder an die Öffentlichkeit gegangen bin - einen eigenen Onlineshop geführt. Das war mir wichtig. Hier hatte ich die Freiheit, mir einen eigenen kreativen Raum zu schaffen mit meiner Ästhetik und meinem Blog. War das sofort erfolgreich? Natürlich nicht. Denn in den gigantischen Weiten des Internets ist man zunächst unsichtbar. Sichtbarkeit war und ist noch die größte Herausforderung, die nicht leicht zu bewältigen ist. Wenn man kein Influencer ist und nicht gleich mit einiger großen Fangemeinschaft startet, ist es hart! Gute Fotos, günstige Preise und schöne Texte reichen da nicht aus. SEO (Suchmaschinenoptimierung) spielt eine wichtige Rolle. Das ist aber nur eine Komponente des Marketingmix. Ein eigener Onlineshop wird ohne die Befeuerung und Verlinkung über Social Media und eine regelmäßige, persönliche Präsenz auf Märkten, Messen, etc mit dem Hinweis auf die eigene Marke und Website, nur träge anlaufen. Wichtig ist hierbei wirklich große Geduld und Durchhaltevermögen!
Mein Tipp: Bitte nicht die Bürokratie unterschätzen! Ein Onlineshop zieht einen gigantischen Rattenschwanz an Bürokratie mit sich. Ich möchte dich nicht desillusionieren, sondern nur darauf hinweisen. Plane genug Zeit ein für die monatliche Buchhaltung, sowie Kundenservice, Retourenmanagement und Verpackung/Versand. Meine persönliche Meinung: Was den Aufwand angeht, ist ein eigener Onlineshop teurer als jeder andere Vertriebskanal - insbesondere wenn man so perfektionistisch ist wie ich ;-)
Fun Facts: Über die letzten 7 Jahre habe ich...
- 4 mal das Shopsystem gewechselt (Jimdo > Squarespace > WooCommerce > Shopify)
- 3 mal den Shopnamen und somit die Domain geändert (felinevintage.com > aboutthestory.co > livinta.com)
- eine mehrsprachige Website & Shop gehabt
- bei Shopify schon 3 verschiedene Shop-Templates benutzt
- Coden gelernt: ich verändere regelmäßig den Code bzw. schreibe ihn neu, damit alles optisch und funktional meinen Vorstellungen entspricht
- mit 2 Agenturen und 4 Fotografen zusammengearbeitet - mehr oder minder erfolgreich, hauptsächlich teuer und unnötig
- auf diversen Kanälen Werbung geschaltet & Geld verbrannt
- eine Menge Geld in Verpackungsmaterial, Marketingmaterial und Fotoequipment investiert, was sich definitiv gelohnt hat!
Fazit: Es gibt nichts, was in Stein gemeißelt ist - Nichts ist für die Ewigkeit. Alles ist veränderbar und anpassbar. Fehler können korrigiert werden. Fehlentscheidungen sind nicht dramatisch! Einfach mal machen und loslegen!
Verkaufen auf Plattformen / Marktplätzen - Geringer Aufwand für geringe Margen!
Hier halte ich mich kurz: Ob Etsy, Ebay oder Kleinanzeigen - Plattformen sind eine gute Lösung für Anfänger und Selbstständige mit wenig Zeit. Man kann schnell und ohne viel Aufwand Produkte einstellen und verkaufen. Die Plattform nimmt einem jegliche Arbeit ab. Einige kreieren sogar automatisch das Versandlabel. So viel Service kostet aber auch - Einstellgebühren, Provision und Flexibilität! Man macht sich extrem Abhängig von der Plattform, wird nur selten mit der eigenen Marke sichtbar und ist abhängig von der Sichtbarkeit innerhalb der Plattform (gute Bewertungen, viele Käufer, Follower, etc.). Zusätzlich steht man natürlich immer unter einem gewissen Preisdruck, da Kunden eine enorme Auswahl haben und du ein gutes Argument bringen musst, damit sie sich für dich entscheiden.
Mein Tipp: Ich verkaufe selten auf Plattformen und nur, wenn ich entweder anonym bleiben möchte (weil die Ware z.B. nicht zu meiner Marke und Ästhetik passt) oder wenn ich Konvolute an andere Händler verkaufen will. Das funktioniert für mich nach wie vor ganz gut.
Stand in einer Trödelhalle / Antikhalle - der perfekte Mix!
Achtung: Zu dem Thema kommt bald nochmal ein ausführlicherer Artikel, da wir immer wieder gefragt werden, wie das Konzept genau funktioniert!
Vorweg: Die Antikhalle, in der wir momentan einen großen, festen Standplatz haben, befindet sich am Grenzübergang Aachen - Belgien. Ein großes Glück für uns, da diese Art von Konzept im Rest von Deutschland eher unüblich ist und in Belgien ein erprobtes Geschäftsmodell darstellt.
Warum die Megahalle Hauset in meiner momentanen Situation der perfekte Vertriebskanal ist:
- Lockere Marktatmosphäre ohne jede Woche neu Aufbauen / Abbauen zu müssen. Die Halle ist unter der Woche fest verschlossen & bewacht. Die Stände bleiben aufgebaut und werden nach Verkaufsschluss abgesperrt. In der Halle haben Händler feste Plätze über Monate - Vor der Halle findet bei gutem Wetter jeden Sonntag ein Trödelmarkt statt mit immer neuen Händlern / Privatverkäufern.
- Kreative Spielwiese: Ein großer Standplatz bietet die Möglichkeit einen richtigen "Shop-in-Shop" aufzubauen, d.h. mein bald 14 Meter langer und 4 Meter tiefer Stand ist aufgebaut und designed wie ein kleiner Store innerhalb der Halle. Ich darf meinen Shopnamen und mein eigenes Branding verwenden und bilde somit eine eigene Einheit innerhalb der Halle.
- Samstags und Sonntags geöffnet - Die Halle unterliegt als Ausflugsziel mit Trödelmarkt der Sonderöffnungszeiten, sodass wir auch Sonntags verkaufen können. Da mein Mann und ich unter der Woche feste Angestelltenjobs haben, ist die Möglichkeit an beiden Wochenendtagen ohne großen Arbeitsaufwand zu verkaufen, einfach perfekt!
- Händlercommunity - Ok, es hat zugegeben ein halbes Jahr gedauert... aber mittlerweile sind wir Händler alle ein Team, in dem man sich gegenseitig aushilft! Sind wir an einem Wochenende verreist oder beim Wareneinkauf, übernimmt der Nachbar gerne die Betreuung des Standes. Auch bei unserem USA-Roadtrip wurden wir an unserem Stand wunderbar vertreten. Da herrscht mittlerweile großes Vertrauen und Respekt! Ohne die Community würde das Konzept sicher nicht so gut funktionieren. Danke!
- Entwicklungspotenzial: Jeder Händler hat die Möglichkeit sich in der Halle individuell zu entwickeln - Man kann sich vergrößern / verkleinern, die Ware verändern, sich von anderen inspirieren lassen und auch zusammenarbeiten / kooperieren. Zudem besteht die Möglichkeit, zusätzlich auf den eigenen Onlineshop hinzuweisen, eine Selbstabholer-Möglichkeit einzurichten und die Kunden so auch besser kennen zu lernen. Neue Ware kann ausprobiert und erprobt werden.
Mein Tipp: Falls du auch aus der Region Aachen kommst und Interesse an einem Stand / Shop in der Antikhalle Hauset hast, kontaktiere mich jederzeit gerne. Die Halle wächst und ist in einem ständigen Veränderungsprozess. Die Organisatoren sind liebenswürdig und arbeiten hart daran, aus dem Konzept das Beste herauszuholen!
Weitere Fragen oder Tipps? Schreibe mir jederzeit gerne in Kommentare oder eine Email an felicia@livinta.com !
Viel Glück und Erfolg mit deinem Projekt
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