Artikel: Tagebuch einer Vintage-Händlerin: Ein Traum am Meer
Tagebuch einer Vintage-Händlerin: Ein Traum am Meer
Willkommen zum zweiten Teil meiner neuen Kolumne "Aus dem Tagebuch einer Vintage Händlerin". Als langjährige Expertin im Bereich der Inneneinrichtung mit einem besonderen Fokus auf Vintage und Antiquitäten freue ich mich, wieder wertvolle Einblicke, praktische Tipps und inspirierende Geschichten zu vermitteln.
Der Sommer hat für mich als Händlerin in diesem Jahr mit einem außergewöhnlichen Suchauftrag begonnen.
Natürlich erhalte ich oft Anfragen von Sammlern oder befreundeten Händlern – das gehört zum Geschäft. Wir unterstützen uns gegenseitig, und alle profitieren davon. Genau das liebe ich an meinem Beruf. Doch dieser Auftrag war anders: Eine langjährige Kundin, die im Laufe der Jahre zu einer guten Freundin geworden ist, hatte mich gebeten, ein Paar ganz besondere Stücke für ihr neues Ferienhaus an der holländischen Nordseeküste zu finden. Der Wunsch? Ein Mix aus antiken Stücken, Vintage-Schätzen und einer Prise Kuriositäten.
Ich war geehrt und freute mich über das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachte. Gleichzeitig spürte ich den Druck, der auf mir lastete. Wenn Kunden mir die Freiheit geben, für sie einzukaufen, ist das immer ein Balanceakt. Es gibt kaum etwas Schöneres, als zu sehen, wie jemand ein Stück liebt, das man für sie entdeckt hat. Aber die Geschmäcker sind nun mal sehr unterschiedlich, und ab und an liege ich auch völlig daneben. Das entsetzte Gesicht eines Kunden, der sich fragt, wie ich nur auf die Idee kommen konnte, dieses eine Stück für ihn auszuwählen, bleibt mir dann lange in Erinnerung.
Die Einrichtungsbranche ähnelt in vielen Aspekten der Modewelt – Trends kommen und gehen, und die Vorlieben der Kunden sind manchmal unvorhersehbar. Doch die Antiquitätenwelt ist noch spezieller: Hier tummeln sich die Kreativen, die Leidenschaftlichen und manchmal auch die ein wenig Verschrobenen. Auf den internationalen Märkten und Messen, auf denen ich unterwegs bin, liebe ich die Begegnungen mit Gleichgesinnten. Der Austausch über all die Dinge, die wir begehren und sammeln, bereichert mich immer wieder aufs Neue.
Dennoch, dieser spezielle Auftrag kam unerwartet und hat mich zunächst überrumpelt. Der Umfang und die Anforderungen waren beachtlich – schließlich sollte ich das perfekte dekorative Interieur für ein gesamtes Ferienhaus zusammenstellen.
Zum Glück lag der Sommer noch vor mir, mit all seinen Vintage-Märkten und Antiquitätenmessen, die die Hauptsaison für mich als Händlerin darstellen. Wochen voller Inspiration und endloser Möglichkeiten.
Mit einem klaren Ziel vor Augen und dem Wunsch, meine Kundin glücklich zu machen, machte ich mich auf die Suche. Die nächsten Wochen und Monate würden mich auf eine abenteuerliche Reise führen – quer durch Europa, immer auf der Jagd nach dem nächsten besonderen Stück, das perfekt in das Ferienhaus mit Küstencharme passen könnte.
Es ist kein Geheimnis, dass meine liebsten Märkte nicht in Deutschland liegen, sondern in Belgien.
Während die Märkte in Frankreich im Sommer von Touristen überlaufen und die Preise häufig schwindelerregend hoch sind, kann man in Belgien noch wahre Schätze entdecken – und das zu fairen Preisen. Besonders im Antikbereich gibt es dort noch so viele unentdeckte Kostbarkeiten. Und auch hier muss ich das „noch“ betonen. Seit dem letzten Jahr beobachte ich immer mehr amerikanische Händler auf den belgischen Märkten, die gezielt und in großem Stil auf der Jagd nach europäischen Antiquitäten sind, um ihre Container für den Übersee-Export zu füllen.
Während ich persönlich kein Fan davon bin, mich bereits um 5 Uhr morgens mit Taschenlampe durch die Dunkelheit zu kämpfen, um den Verkäufern beim Auspacken der Ware zuzusehen, ist genau das oft der entscheidende Moment für viele professionelle Händler, um die besten Fundstücke zu ergattern.
Doch für mich geht es um mehr als nur den frühen Vogel. Meine Lieblingsmärkte in Brügge und Gent sind nicht nur wegen ihrer fantastischen Angebote unverzichtbar, sondern auch wegen ihres einzigartigen Flairs. Diese malerischen, historischen Städte verzaubern mich jedes Mal aufs Neue – und nach einem erfolgreichen Shoppingtag lädt ein Altstadt-Café oder eine ruhige Grachtentour zum Entspannen ein.
Da beide Städte im Mittelalter bedeutende Hafenstädte waren und noch heute in Küstennähe liegen, bieten sie zudem eine Fülle an maritimen Antiquitäten. Für einen Suchauftrag, der ganz klar auch nautische Stücke impliziert, ist das ein wahres Paradies. Und auch diesmal wurde ich nicht enttäuscht – ich konnte ein feine Auswahl an wundervollen Objekte zusammenfinden, die perfekt in das Ferienhaus meiner Kundin passen würden.
Das Ergebnis: Ein Vintage-Traum am Meer! Es ist. die perfekte Symbiose von Alt und Neu entstanden.
Nach fast drei Monaten intensiver Suche, in denen ich das Kundenprojekt neben meinem regulären Vintage-Geschäft in der Antikhalle verfolgte, war der große Tag endlich gekommen. Ich durfte das fertige Ferienhaus besuchen und die mitgebrachten Schätze präsentieren und arrangieren – ein absoluter Höhepunkt meines beruflichen Sommers!
Meine Auswahl an Objekten fügte sich harmonisch in das moderne Interieur des Hauses ein. Besonders die Mischung aus klassischen maritimen Stücken und charmanten Kuriositäten konnte eine Atmosphäre schaffen, die sowohl entspannend als auch lebendig wirkte. Neben den unverzichtbaren Ankern, antiken Seekarten und stimmungsvollen Ölgemälden, habe ich einige unerwartete Elemente hinzugefügt – fossile Fischzähne und eine alte Harpune, die Geschichten von längst vergangenen Abenteuern erzählen. Und dann die MidCentury-Wandobjekte aus Keramik! Sie sollten einen Hauch von Farbe und Sommerferien in den Räumlichkeiten versprühen.
Das Ergebnis? Ein fesselnder Mix aus dunklen, stimmungsvollen Antiquitäten und modernen, verspielten Akzenten – ein wirklich gemütlicher Ort mit Charakter.
Dieser Auftrag hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, Räume mit Geschichte und Persönlichkeit zu füllen.
Wie bei fast jedem Kundenprojekt, hat mich auch dieses komplett in seinen Bann gezogen. Obwohl Aachen, mit seiner Nähe zur Eifel, eher durch Berglandschaften als durch Küsten geprägt ist, hat mich die Nordsee-Romantik sofort eingefangen. Die Faszination für den maritimen Flair hat mich so sehr ergriffen, dass ich mich von einigen meiner Fundstücke gar nicht mehr trennen wollte.
Dabei kam mir der Gedanke: Ist maritime Deko auf dem Land eigentlich ein Stilbruch? Gilt eine Keramikschale in Form einer Muschel als der verzweifelte Versuch, ein Urlaubsfeeling dort zu kreieren, wo keines existiert? Oder ist ein Ölgemälde, das einen tosenden Sturm über dem Meer zeigt, nur eine melancholische Erinnerung an eine Geräuschkulisse, die man hier nie erleben wird?
Diese Fragen sind durchaus berechtigt, aber ich habe sie schnell wieder verworfen. Denn für mich ist das Wichtigste, dass ein Zuhause – egal, wo es sich befindet – ein Ort der Emotionen ist. Eine Wohlfühloase, die alles enthält, was dem Bewohner Freude bereitet und neue Energie gibt. In diesem Sinne gibt es kein Richtig oder Falsch in der Einrichtung. Es geht darum, dass die Räume die Persönlichkeit und die Träume ihrer Bewohner widerspiegeln. Ein Zuhause sollte außerdem ein Ort der Inspiration sein.
Und manchmal sind es genau diese unkonventionellen Stücke, die die Magie schaffen, die ein gewöhnliches Haus in ein unverwechselbares Zuhause verwandeln. Dass antike Stücke mit einem Hauch von Meeresrauschen, salziger Luft und natürlicher Rauheit genau diese Gefühle wecken können, ist für mich nur logisch – und vor allem unwiderstehlich.
1 Kommentar
Hej Felicia,
Danke, dass du diese Erfahrung mit uns geteilt hast und man detailliert erfahren durfte, wie solche “Einrichtungsprojekte” wirklich funktionieren. Das sind wirklich sehr schöne Stücke, die du gefunden und dekoriert hast. Besonders die vielen Schiffsbilder in Öl gefallen mir. Ich hoffe, dass ähnliches auch bald mal in den Onlineshop gelangt. Dein Artikel hat dafür gesorgt, dass ich so sehr “Lust auf Meer” habe.
Liebe Grüße
Marianna
Marianna
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